AKTUELL    PRESSEKIT    PRESSESPIEGEL    ARCHIV    KONTAKT    
2014/15    2012/13    2010/11    2008/09    2006/07    2004/05    

gute aussichten 2015/2016, 13.11.2015 - 14.2.2016 in den Technischen Sammlungen Dresden
Die gute aussichten 2015/2106 Jury ...
... Treffen der neun gute aussichten Preisträger in Neustadt/W.
Schöne, neue Welt? Von wegen! Aras Gökten entnimmt seine Bilder ...
... unserer urbanen Umgebung, sollten sie auch noch so absurd scheinen
Lars Hübners zwiespältiges Bild von Taiwan: Nothing to Declare
Da dürfte es bei vielen in den Ohren klingeln: Felix Hüffelmann zitiert "The Dark Side of the Moon"
Klick, klick, klick - pick, pick, pick: 812 Aufnahmen von Kyung-Nyu Hyuns ...
... einjähriger Nahrungsaufnahme
Gemalt mit digitalem Licht: Kolja Linowitzkis Digits of Light
Once Upon a Time in the East: Jewgeni Roppels komplexe Serie Magnit
Zwischen gestern und morgen, nur nicht heute: Gregor Schmidts Bilder des Ölstaates - Waiting for Qatar
Alles oder nichts: Kamil Sobolewskis Rattenkönig oszilliert zwischen Liebe, Hass und Poesie
Der Raum im Bild und das Bild im Raum: Maja Wirkus raumgreifende Arbeit Praesens II Präsens
Mehr Bilder, mehr Infos & guter Gossip auf 224 Seiten: Das Katalog-Buch gute aussichten 2015/2016

Neustadt/Weinstrasse, Dienstag, den 27. Oktober 2015

Im zwölften Jahr von gute aussichten wählte die neunköpfige Jury neun Arbeiten aus, die unser Welt-Bild radikal in Frage stellen: Quo vadis, Welt? – Reflexion und Utopie

Wir alle kennen sie, jene Vision einer zukünftigen Welt, die der britische Schriftsteller Aldous Huxley 1932 unter dem Titel "Brave New World" publizierte: Alle Menschen leben, gentechnisch manipuliert, zufrieden und glücklich als "Alpha-Plus-" oder "Epsilon-Minus"-Tierchen in einer festgelegten Hierarchie und in einem gesicherten Rahmen, dessen Regeln von allen unabdingbar einzuhalten sind. Überwachung ist allgegenwärtig und reicht bis in die intimsten Sphären eines jeden Lebens. Als Belohnung für Bespitzelung und autoritäre Bevormundung winkt grenzenloser Konsum. Und die Droge "Soma" versüßt all das, was verschwunden ist aus dieser schönen, neuen Welt. 
 
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Technik der primäre und stärkste Taktgeber für industriellen und gesellschaftlichen Wandel. "Die Grenzen des Wachstums", wie sie bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lebhaft diskutiert wurden, sind dabei längst überschritten worden. Die Fakten und Herausforderungen, denen sich die heutige und zukünftige Generationen stellen müssen, sind: Migration, Klimawandel, Globalisierung, eine wachsende Weltbevölkerung bei ungleicher Verteilung von Nahrung und Gütern, die maximale Ausnutzung aller Ressourcen, der Kampf um Rohstoffe und geopolitische Einflussnahme. Die zukünftige "Reiseroute" ist dabei alles andere als linear und vorhersehbar. Der große Plan scheint noch in weiter Ferne und es stellt sich bei allem Fortschritt die Frage nach Ethik und Moral und ob das Mögliche der Welt auch wirklich dient und sie es braucht.
 
Die große, in allen Winkeln der Welt spürbare Frage, wohin die Reise geht, ist in diesem Jahr der Grundton, in dem alle Arbeiten der neun gute aussichten- Preisträger 2015/2016 schwingen. So polyphon die einzelnen Melodien hier auch erklingen mögen, ergibt sich in der Zusammenschau doch ein Konzert, das in individuellen Verästelungen der grundsätzlichen Frage folgt: Wie geht es weiter, Welt? Dem bekannten Topos "panta rhei" (dt. "alles fließt") setzen die diesjährigen Preisträger konkrete Überlegungen und Entwürfe entgegen. 

 

Die neun Preisträger von gute aussichten 2015/2016 & ihre ausgzeichneten Arbeiten

 

Aras Gökten // Arkanum // Ostkreuzschule für Fotografie Berlin

Aras Gökten zeichnet in seiner Serie "Arkanum" Ansichten urbaner Räume, die ebenso perfekt wie unbewohnbar und kalt anmuten. Diese Bilder entspringen mit einer einzigen Ausnahme nicht den Entwurfsprogrammen von Architekten oder
Städteplanern, sondern sind ausschließlich im Fokus von Göktens Kamera entstanden. In der fotografischen Überspitzung dessen, was er vorwiegend in den Zentren diverser deutscher Städte gefunden hat, liest sich der Ist-Zustand wie das Modell einer zukünftigen Lebenswelt, die primär durch technologische Präzision und Funktionalität besticht. Wohnen möchten wir in dieser "neuen Heimat" nicht so recht, fehlt darin doch eindeutig das menschliche Maß. Die wenigen Personen in Göktens Fotografien wirken deplatziert und verloren wie winzige Figuren auf einem überdimensionierten Schachbrett – der Ausgang der Partie bleibt offen.

 

Lars Hübner // Nothing to Declare // Kunsthochschule Berlin – Weißensee

Mit Lars Hübner reisen wir nach Taiwan, das sich im Zuge des chinesischen Bürgerkriegs (1945 – 1949) und der daraus resultierenden Errichtung der Volksrepublik China 1949 durch Mao Tse-tung vom Kernland abspaltete. Seither existiert Taiwan im Schatten des großen Mutterlandes. In "Nothing to Declare" zeichnet Hübner Bilder, welche die taiwanesische Mischung zwischen uralter chinesischer Tradition und westlicher Moderne sowie die vielfältigen Einflüsse des übermächtigen Nachbarn aufzeigen. Taiwans politische Zukunft hängt an einem seidenen Faden: Sobald der Wunsch nach Unabhängigkeit zu laut wird, droht das mächtige China mit Krieg. Hübners Aufnahmen zeigen uns eine Welt, die zwar wirtschaftlich überaus eng mit Deutschland verknüpft, in unserem Bewusstsein jedoch bestenfalls ein Anhängsel Chinas geblieben ist.

 

Felix Hüffelmann // The Dark Side of the Moon // Fachhochschule Bielefeld

Ganz andere Fragen wirft Felix Hüffelmann mit "The Dark Side of the Moon" auf. Vielen dürfte der Titel aus einem anderen Kontext in den Ohren klingen: Das erfolgreichste Album der britischen Rockband Pink Floyd trug 1973 diesen Titel. Dessen Cover ziert ein Prisma auf schwarzem Grund, das Hüffelmann in seiner Arbeit emblematisch zitiert. Es geht um das Thema Überwachung, deren Institutionalisierung und Missbrauch erst mit dem Whistleblower Edward Snowden ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Zur Sprache kommen aber nicht nur staatliche Bespitzelung, sondern auch digitale Kontrolle seitens mächtiger Konzerne und privater Voyeurismus. In einer Zeit, in der Drohnen Baustellen scannen und Arbeiter überwachen, müssen wir die Frage, wie der Schutz unserer Privatsphäre gewährleistet werden kann, mit viel größerem Nachdruck stellen.

 

Kyung-Nyu Hyun // Nahrungsaufnahme // Kunsthochschule für Medien Köln

Kyung-Nyu Hyun entwirft in ihrer 812 Aufnahmen umfassenden Konzeptarbeit "Nahrungsaufnahme" ein amüsantes wie zugleich Besorgnis erregendes Bild: Ein Jahr lang dokumentierte sie täglich ihr Essen per Handykamera, was sehr viele Menschen tun, allerdings nicht in dieser Konsequenz und Fülle. En passant ist daraus ein visuelles Tagebuch entstanden, das sich als Psychogramm der Esserin lesen lässt. Im Detail erfahren wir eine Menge über Hyuns Tun und Lassen, ihre Aufenthaltsorte und Gepflogenheiten – Social Media an der Wand. Über das oberflächliche Spaß-Bild auf Facebook & Co landen wir unerwartet in einer soziokulturellen Betrachtung über die Rituale einer digitalen Gesellschaft, deren echtes Leben zunehmend in einen virtuellen Orbit verlagert wird. Genussreiches Speisen degeneriert zur "Nahrungsaufnahme" und ist ebenso flüchtig wie das Erstellen und Konsumieren von Fotos ... alles mit einem Klick jederzeit verfügbar.

 

Kolja Linowitzki // Digits of Light // Universität der Künste Berlin

Ein vollständig neuartiges Territorium betritt Kolja Linowitzki mit seiner Arbeit "Digits of Light". Der Tüftler Linowitzki gibt sich nicht zufrieden mit dem, was der Fotograf Linowitzki mittels digitaler und analoger Technik an Bildfindungen hervorzuzaubern vermag. Er sucht nicht nur das neue "Bild", experimentiert mit Licht und fotografischem Material, sondern entwickelt kurzerhand sein eigenes Produktionsmittel: eine Bilderzeugungsapparatur, die – vereinfacht ausgedrückt – aus einem modifizierten Vergrößerer, einem Smartphone und einer motorisierten Drehscheibe besteht. Nach vielen Experimenten ist es so weit: In oft stundenlanger Belichtungszeit entstehen in der Dunkelkammer Variationen von digitalem Licht auf analogem Fotopapier, deren nuancierter Formenreichtum uns ein vollständig neues Bilduniversum eröffnet – jedes Motiv ein Unikat.

 

Jewgeni Roppel // Magnit // Fachhochschule Bielefeld

Utopien und neue Lebensentwürfe haben zu allen Zeiten Konjunktur. Die Suche nach dem "gelobten Land", auf die sich Menschen immer dann begeben, wenn sie die aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen als bedrohlich für Leib und Seele erachten, ist vermutlich so alt wie unsere Zivilisation. Für seine Serie "Magnit" ist Jewgeni Roppel der Spur einer solch legendenhaften Verheißung in den Westen Sibiriens gefolgt. Die Zeit der Gulags scheint vorbei und das Areal genügend groß
und abgelegen, so dass sich dort diverse Glaubensgemeinschaften ansiedeln, um sich an neuen Lebensentwürfen zu versuchen. Viele dieser "Aussteiger" folgen einem oder mehreren spirituellen Führern und suchen jenseits der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nach alternativen Lebensformen, die häufig im geistigen Verbund mit der Natur und deren Kräften stehen.

 

Gregor Schmidt // Waiting for Qatar // HTW, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Ganz klar nach vorne und in eine blendende Zukunft blickt das arabische Emirat Katar. Dessen Emir, der die Geschicke seines Landes als absoluter Monarch lenkt, hat weitreichende Visionen davon, welche Segnungen der Moderne er bis 2030 seinem Volk zuteil werden lassen will. Der islamische Golfstaat Katar, der für die Vergabe der Fußball-WM 2022 viele Millionen Dollar in den Topf der FIFA geworfen hat und zudem im Verdacht steht, einige seiner Ölmilliarden für die Finanzierung islamistischer Terrorkommandos auszugeben, gibt sich in seiner "Vision 2030" modern und sozial: vom autoritär geführten Ölstaat hin zur Wissensgesellschaft. Gregor Schmidt hat für "Waiting for Qatar" das Land bereist und seine Fotografien sprechen von Macht und Ehrgeiz, von der arabischen Vorliebe für Rennpferde und alles, was prestigeträchtig ist, aber auch von Gastarbeitern und Militärparaden im großen Stil.

 

Kamil Sobolewski // Rattenkönig // Ostkreuzschule für Fotografie Berlin
Kamil Sobolewski begibt sich zum Finden seiner Bilder auf eine Reise ins Innere, auch wenn nicht wenige seiner Motive für den "Rattenkönig" beim Unterwegssein entstanden sind. Die kleinen schwarz-weißen Formate zeigen eine metaphorische Reihung unterschiedlicher Gefühls- und Bewusstseinszustände, in denen es augenscheinlich um existenzielle, grundsätzliche Fragen geht. Aus den kraftvollen, existenzialistisch durchhauchten Bildern scheint eine Mischung aus Trotz, Resignation, Aggression, Kampf und Zärtlichkeit hervor, die an Filme wie "Der Geschmack von Rost und Knochen" ("De rouille et d’os", 2012) des französischen Filmemachers Jacques Audiard erinnert. Ebenso brillant wie undramatisch schildert der Regisseur darin den Kampf seiner Figuren, sich selbst und ihr Leben in den Griff zu bekommen.

 

Maja Wirkus // Praesens II Präsens // Kunsthochschule Kassel

Maja Wirkus führt uns in ihrer Arbeit "Praesens II Präsens" in abstrakte Gefilde. Ihr fotografisches Interesse gilt dem Raum als architektonischem Gebilde. Grundsätzlich verfolgt sie die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Raum entsteht und wie dieser in ein fotografisches Abbild übertragen werden kann. Das Ausgangsmaterial für die vorliegende Serie bilden eigene Fotografien sowie Archivmaterial zum polnischen Modernismus. Daraus entstanden in mehreren Schichtungen, Zerlegungen und Extraktionen Collagen aus Formfragmenten. Ergänzt wurden diese auf Pergament gedruckten Fraktale durch Objekte im Raum. Fragilität, Veränderungen durch Eingriffe der Fotografin und die Vergänglichkeit ihres fotografischen Materials spiegeln dabei den fortlaufenden Umwertungsprozess, in den Maja Wirkus uns verwickelt. Folgerichtig wird aus dem, was mit "Praesens II Präsens" benannt ist, im nächsten Schritt ein Imperfekt.


Summa summarum präsentiert gute aussichten – junge deutsche fotografie // new german photography 2015/2016 erstmals über 1.100 Motive, 4 Videos und 3 Bücher, 1 Sound und eine komplett neue Bilderzeugungsapparatur.

 

Im zwölften Jahr seines Bestehens zeigt gute aussichten 2015/2016 damit eine inhaltliche, ästhetische, mediale und formale Bandbreite, wie sie die junge deutsche Fotografie aktuell hervorbringt. Ein Spektrum überraschend vielfältiger Ideen, Überlegungen und fotografischer Strategien, formaler wie medialer Umsetzungen, das den Status Quo der jungen Fotografie in Deutschland abbildet.

 

Weitere Informationen über die Preisträger/innen und ihre Werke finden Sie asap in unserem feinen Katalog und auf der Website unter ARBEITEN ----> Top neun.

 

Die Einreichungen & die Jury

Exakt 104 Einreichungen aus 36 Institutionen erreichten uns für den Wettbewerb gute aussichten - junge deutsche fotografie 2015/2016. An der Jurysitzung, die erstmals im Domizil von gute aussichten in Neustadt/W. stattfand, nahmen teil: Stefan Becht (Neustadt/W.), Journalist und Mitbegründer von gute aussichten, Dr. Wibke von Bonin (Köln), Autorin, Kulturjounalistin und Kunsthistorikerin, Dr. Ludger Derenthal, Leiter des Museums für Fotografie in Berlin, Mario Lombardo, Art Director, Bureau Lombardo (Berlin), Mona Mönnig (Essen), Fotografin und gute aussichten 2009/2010 Preisträgerin, Josefine Raab (Neustadt/W.), Kunsthistorikerin und Gründerin von gute aussichten, Amélie Schneider (Hamburg), Bildchefin des Magazins NEON, der renommierte Regisseur und Filmemacher Ulrich Seidl (Wien, Österreich) sowie Ingo Taubhorn, Kurator am Haus der Photographie, Deichtorhallen (Hamburg).

 

Der Katalog

Zu gute aussichten - junge deutsche fotografie // new german photography 2015/2016 ist der gleichnamige Katalog (Deutsch/Englisch) erschienen, herausgegeben von Stefan Becht & Josefine Raab, der die neun Preisträger und ihre Arbeiten ausführlich in Wort und Bild vorstellt und in jeder Buchhandlung, in allen Web-Stores oder direkt hier info(at)guteaussichten.org erhältlich ist: 224 Seiten, ca. 350 Abbildungen, praktisches Readerformat 16,5 cm x 24 cm, broschiert, 22,90 Euro, dpunkt Verlag, Heidelberg, ISBN 978-3-86490-341-0

 

Die ersten Ausstellungen & Termine

Die Auftakt-Ausstellung von gute aussichten – junge deutsche fotografie 2015/2016 eröffnet am Freitag, den 13. November 2015 um 19 Uhr, in den Technischen Sammlungen Dresden statt (bis 14. Februar 2016). Hier steht die Einladungskarte zur Eröffnung und Ausstellung als PDF für Sie bereit.

Anschließend führt der Ausstellungszyklus von gute aussichten 2015/2016 nach Mailand, Hamburg, Eschlikon, Nicosia (Zypern), Koblenz, Mexico City, ... Die weiteren Ausstellungsstationen und Termine finden Sie hier und ausführlich asap auf unserer Website unter AUSSTELLUNGEN.

 

237 Zeilen mit max. 70 Anschlägen. Frei zum Abdruck, Beleg, Hinweis oder Link freut uns immer. Bei Fragen oder Wünschen: Stefan Becht, Telefon +49-(0)6321- 970 67 99, M. +49-(0)172- 988 64 37, info(at)guteaussichten.org

 

Eine Auswahl druckfähiger Fotografien der aktuellen Arbeiten und der diesjährigen Jury-Mitglieder steht Ihnen im PRESSEKIT zur Verfügung.