Archive for Dezember, 2021

Bleiben Sie zuversichtlich: Wir schaffen das! Gute Tage & Happy New Year 2022!

Sonntag, Dezember 26th, 2021

Ja, werte Leser*inn*en, Sie lesen richtig: Bleiben Sie zuversichtlich! Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieb(st)en ein paar gute, erholsame Tage und ein wunderbares Jahr 2022, denn: Wir schaffen das!

Auch wenn das Jahr 2021 alles andere war, als ein normales Ausstellungsjahr, so konnte gute aussichten – junge deutsche fotografie 2020/2021 doch im Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein eine fast reguläre Eröffnung mit allen 8 Preisträger*innen und ihren Werken veranstalten.

So viel Sommer und Eröffnung gab es im Jahr 2021 selten – die Preisträger*innen & die beiden Gründer von gute aussichten im Juni 2021 in Koblenz (v.l.n.r.): Kerry Steen, Konstantin Weber, Conrad Veit, Tina Schmidt, Leon Billerbeck, Jana Ritchie, Stefan Becht (Gründer gute aussichten), Sophie Allerdings, Robin Hinsch und die Gründerin von gute aussichten, Josefine Raab

Wir danken allen, die uns im Jahr 2021 trotz aller Widrigkeiten begleitet und unterstützt haben. Und wir freuen uns, dass die Ausstellung gute aussichten – junge deutsche fotografie // – new german photography 2020/2021 ab Donnerstag, 10. Februar 2022 (bis 1. Mai 2022) im Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg im PHOXXI zu sehen sein wird.

Der Katalog (D/E) gute aussichten – junge deutsche fotografie / – new german photography 2020/20201 stellt die 8 Preisträger*innen und ihre 7 ausgezeichneten Werke, wieder einmal exzellent ins Bild und auf die Seiten gesetzt von den Gestaltern Adrian Niessler und Catrin Altenbrandt (Pixelgarten, FFM), ausführlich in Wort und Bild vor und liefert jede Menge feinen Lesestoff. Mit Beiträgen von Stefan Becht, Bazon Brock, Carla Susanne Erdmann, Dr. Michael Köhler, Dr. Thomas Niemeyer, Josefine Raab, Ulrich Rüter, Frauke Schnoor, Katrin Seidel, Dr. Tas Skorupa und Babette Maria Werner. 216 Seiten, 360 Abbildungen, gebunden, Softcover, grosses Readerformat 17 x 24 cm, ISBN 978-3-9819355-4-7, streng limitierte Auflage von 330 Exemplaren, 20,- Euro, nur in unseren Ausstellungshäusern oder direkt bei uns erhältlich: info@guteaussichten.org

Weitere Infos & die kostenlosen Leseproben (PDFs) stehen Ihnen hier zur Verfügung.

Das Herz in der Finsternis: WAHALA von Robin Hinsch & die Debatten um das Lieferkettengesetz

Samstag, Dezember 11th, 2021


Die Autorin Marina Sammeck (M.A.) reist in ihrem Beitrag, auf der Suche nach dem Herz, in die Finsternis, beleuchtet das Lieferkettengesetz und rückt WAHALA, die fotografische Serie des gute aussichten 2020/2021 Preisträgers Robin Hinsch in unseren Fokus

Sind Unternehmen verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, welche die in ihren Produktionsketten integrierten Hersteller an anderen Orten der Welt hervorbringen? Diese Frage wird derzeit im Rahmen der Debatte um das Lieferkettengesetz heiß diskutiert. Nachdem der Deutsche Bundestag bereits im Februar 2021 eine „Sorgfaltspflicht“ für deutsche Unternehmen auf den Weg brachte, legte das Europäische Parlament Mitte März 2021 einen noch umfassenderen Gesetzesentwurf vor.

Im Brennpunkt dieser Auseinandersetzung über Haftung und Verantwortlichkeit internationaler Konzerne verorten sich die Bilder der Serie WAHALA von Robin Hinsch. Mit seinen in kühles, dunkles Licht getauchten Fotografien, für die er weltweit an Förderorte fossiler Brennstoffe reiste, dokumentiert der Hamburger Fotograf auch die seit Jahrzehnten andauernde Umweltverpestung des Niger Deltas durch das aus maroden Pipelines austretende Öl. Für die Folgen dieser Havarie während der Jahre 2004 und 2005 ist der britisch-niederländische Ölkonzern Shell jüngst in einem wegweisenden Urteil vom Berufungsgericht in Den Haag als verantwortlich befunden worden. Wie viele international tätige Unternehmen mit Hauptsitz in einem europäischen Staat argumentierte Shell bisher, die kritischen Bedingungen der Produktion seien der undurchsichtigen Lage in den meist ärmeren und geringer entwickelten Ursprungsländern geschuldet. Eine Haltung, die sich mit der Entscheidung in Den Haag, Shell hätte eine grundsätzliche Pflicht, die Leitungen in Stand zu halten, nun nicht mehr so einfach vertreten lässt.


Natural Gas Flaring Site in Ughelli, Niger Delta, Nigeria

Robin Hinschs Fotografien aus dem Niger Delta nehmen in gewisser Weise die Debatte um das Lieferkettengesetz vorweg, indem sie die Frage nach der Verantwortung von Unternehmen für die Vorgänge innerhalb ihrer gesamten Produktionskette in eindrucksvolle Bilder bannen. Die surreal anmutenden Aufnahmen unwirklicher Landschaften und ihrer darin wie Außerirdische wirkender Bewohner schaffen bestechende Momente, die ihr Grauen erst allmählich preisgeben: Abgestorbene Natur, vergiftete, leblose Wasserläufe, verrottende Tanks und Milliarden Tonnen von Gas abbrennende Flammen. Daneben trocknen Frauen Maniok und kehren später in als Hütten dienende Bretterverschläge zurück – solche Aufnahmen erzählen von einer Existenz am Abgrund. Sie nehmen die Betrachter mit in eine scheinbar ferne und fremdartige Welt, die dann doch immer näher rückt mit der Aufdeckung von Umweltzerstörungen und dem Leid der in diesem Umfeld lebenden Menschen, die durch grobe Vernachlässigung allseits bekannter Unternehmen im Namen der Herstellung unserer Alltagsprodukten begangen werden.


One of the community eldest is showing me around the polluted areas in B-Dere. Niger Delta, Nigeria

Unter dem etwas euphemistisch klingenden Begriff der „Sorgfaltspflicht“ erfasst, sollen diese Vergehen nun zukünftig gesetzlich verhindert und sanktioniert werden. In der politischen und medialen Diskussion treffen dabei immer wieder die gleichen Akteure aufeinander: Auf der einen Seite die sich unter Generalverdacht gestellt fühlenden Unternehmerverbände, die übermäßige Bürokratie und Wettbewerbsnachteile fürchten, auf der anderen Seite die eine Prinzipienoffensive führenden Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die einen erbitterten Kampf um das Für und Wider eines die Unternehmen weitreichend in die Pflicht nehmenden Gesetzes führen. Die Einbeziehung der Konsumenten und deren Mitverantwortung für solche Missstände hingegen bleibt häufig außen vor.


A young woman at a gas flaring site in Ughelli. They are using the heat of the flames to dry Kpogavi some kind of chip consisting of manioc flour

Robin Hinschs apokalyptische Bilder finden eine direkte Sprache für diese komplexen und für den Laien oft schwer durchschaubaren rechtlichen Streitpunkte, indem sie der Ausbeutung ein gleichzeitig täuschend anziehendes wie auch ein authentisches, unverkennbar tragisches Gesicht verleihen. Zwischen der Zerstörung von Natur und Gewalt gegen den Menschen gibt es keinen prinzipiellen Unterschied. Auch diese still angemahnte Erkenntnis macht die Werke so wertvoll für eine Reflektion der gegenwärtigen Auseinandersetzung über das Lieferkettengesetz.


Robin Hinsch bei der Dokumentation seiner Serie WAHALA, die ab dem 10. Februar 2022 bei gute aussichten – junge deutsche fotografie 2020/2021 im Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg zu sehen ist

Die Umweltorganisation Greenpeace hatte erst kürzlich auf ganz ähnliche Bilder gesetzt, indem sie vor der Niederlassung des Nahrungsmittelkonzerns Mondelez in Wien einen abgebrannten Regenwald installierte – ein PR-wirksamer Schockeffekt, der schnell verraucht war. Robin Hinschs Fotografien aus WAHALA hingegen, in denen der Name „Shell“ sozusagen als Begleittext mitläuft, sind nicht Teil einer werbewirksamen Kampagne gegen die fraglichen Konzerne. Als Kunstwerke haben sie die Kraft und den Wert, immer wieder aufs Neue den Finger in die Wunde zu legen. Dabei vollbringen sie weit mehr, als offen anzuklagen: Im visuellen wie inhaltlichen Tiefgang rühren sie an jene Fragen, die auf uns als Endverbraucher dieser Güter weisen und appellieren an unsere individuelle wie kollektive Sorgfaltspflicht.

Marina Sammeck

Die Ausstellung gute aussichten – junge deutsche fotografie // – new german photography 2020/2021 wird von Freitag 11. Februar – Sonntag 1. Mai 2022 im PHOXXI, dem temporären Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg zu sehen sein. Die Eröffnung findet am Donnerstag, 10. Februar 2022 statt.